O Tannenbaum – Leifs Monolog zum Kekse kau’n
Gebräuche & Gebäcke mit Liv & Leif
„O Tannenbaum, o Tannenbaum …“ Liv trällerte beschwingt vor sich hin und öffnete die Tür, an der es gerade geklopft hatte.
„Ich ha-hasse den Winter.“ Bibbernd und mit blauen Lippen stürmte Leif an ihr vorbei in das warme Haus.
„Dir auch eine fröhliche Weihnachtszeit“, lachte sie und folgte seiner Schneespur ins Wohnzimmer. Dort stand er bereits in einer kleinen Pfütze vor dem Weihnachtsbaum und rieb sich die Hände. „Ich bin noch nicht ganz fertig mit Schmücken. Möchtest du mir helfen?“
Leif blickte sie an und das Funkeln der Lichterkette spiegelte sich in seinen Brillengläsern. Langsam hob er eine Augenbraue. „Warum klebt da überall Mehl in deinem Gesicht?“
„Das gehört zu meinem Weihnachtsoutfit.“ Liv grinste. „Riecht man das nicht? Ich hab gebacken.“ Sie angelte sich einen Lebkuchenstern vom Teller auf dem Couchtisch und biss genüsslich hinein. „Bedien dich“, sagte sie kauend.
Bereits an der Art, wie Leif Luft holte, erkannte sie, was jetzt folgen würde: ein Klugscheißer-Monolog. „Wusstest du, dass der Brauch des Weihnachtsbaums eigentlich auf einer heidnischen Idee beruht?“
„Jetzt weiß ich es. Keks?“
„Früher hat man sich gar keinen ganzen Baum, sondern einzelne Zweige, ins Haus geholt. Den sogenannten Wintermaien.“ Wie ein Gelehrter schritt Leif, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, vor dem Tannenbaum auf und ab. Das konnte also dauern. Liv machte es sich auf dem Sofa bequem und schob sich einen weiteren Bissen Lebkuchen in den Mund, während er seinen Vortrag weiterführte: „Das sollte dafür sorgen, dass der Frühling im nächsten Jahr wieder zurückkehrt.“
„Mhm …“ Liv knabberte an einem Mandelplätzchen. „Wahnsinn“, schmatzte sie. So gut waren ihr diese Kekse noch nie gelungen. Kein Wunder, dass ihre Mutter schon fast alle aufgegessen hatte.„Das mag uns aus heutiger Sicht wie Wahnsinn erscheinen. Aber es gab eine Zeit, da wussten die Menschen noch nicht, was es mit den Jahreszeiten auf sich hat.“
„Ähm, ja. Sag mal, macht es dir was aus, wenn ich die letzte Kokos-Makrone esse?“
„Wenn man es so betrachtet, ist es doch ziemlich seltsam, den Weihnachtsbaum zu schmücken, oder?“
„Warum?“ Die Makrone war ein bisschen trocken geraten, also nahm Liv sich noch einen Nougat-Keks. Trockenes Gebäck zählte schließlich nicht.
„Na ja. Ursprünglich war der Baum selbst, oder besser der Ast selbst, der Schmuck. Heute sieht man ihn kaum noch unter dem ganzen Lametta. Willst du das wirklich noch alles da dran hängen?“ Skeptisch betrachtete Leif die Kästchen voller Christbaumkugeln, die auf dem Boden standen.
„Du verpasst echt was, wenn du dir kein Plätzchen nimmst. Noch sind welche da …“
„Auch das Weihnachtsfest ist übrigens gar nicht so christlich, wie die meisten Menschen denken.“
Liv verdrehte die Augen und nahm sich das letzte Vanillekipferl. Wenn Leif eine Chance sah, sein Wissen zu verbreiten, war er einfach nicht zu bremsen. Anfangs hatte sie das tierisch genervt, aber inzwischen hörte sie ihm eigentlich ganz gerne zu. Es war wie ein privater Podcast. Und merken musste sie sich auch nichts, weil er ihr das alles liebend gerne noch zehnmal erklären würde.
„Im Römischen Reich hat man an diesem Tag den Tag des Sonnengottes gefeiert. Die Christen sehen Jesus ja als das Licht der Welt an. Deswegen haben sie den Feiertag einfach übernommen. Interessant, oder?“ Er wartete gar nicht auf eine Antwort. „Von dem ganzen Reden bin ich jetzt doch hungrig geworden. Welche Kekssorte kannst du mir denn empfehlen?“
„Gar keine.“
„Oh.“ Leif wirkte irritiert. „Wie jetzt?“
„Du weißt doch, dass deine Vorträge meinen Appetit anregen.“ Liv zuckte entschuldigend mit den Schultern und deutete auf den leeren Teller. „Komm mit in die Küche. Wir backen neue.“
„Moment mal, ich kann gar nicht backen.“
„Perfekt“, grinste Liv. „Dann kann ich zur Abwechslung auch mal klugscheißern. Hier ist das Rezept. Lies es dir durch, während ich die Backutensilien zusammensuche.“